Office 365 - Zielgruppe

Bei der Definition der "Zielgruppe" kommt es auch darauf an, auf welcher Seite des Tisches man steht. Natürlich ist Office 365 zuerst ein Angebot für Firmen, die ein gut verwaltetes System haben möchten, aber es ist natürlich auch ein Produkt, welches von Firmen an andere Firmen verkauft werden kann.

Partnermodell als Triebfeder

Genau das führt manchmal zu sehr konfusen Konstellationen, dass nämlich vorgebliche "IT"-Firma aktiv andere Firmen angeht und sie zu Office 365 konvertieren möchte. Als möglicher Office 365 Kunde sollten Sie wissen, dass Microsoft eine Provision bzw. über bis zu 3 Jahre eine Provision an solche Vermittler bezahlt. Es ist ein Stück weit wie ein Partnermodell. Als Endkunden sollten Sie aber schon wert darauf legen, dass Sie einen Partner wählen, der ihnen bei der Umsetzung hilft.

Auch wenn Sie auf www.office365.com "einfach so" mal einen Office 365-Test starten können, so sollten Sie dennoch mit einem kundigen Systemhaus zusammen arbeiten. Denn speziell "Migration" und Parallelbetrieb erfordern doch ein solides Verständnis zur Materie.
Das gilt um so mehr, da durch den Kostendruck der Support über Foren, Tickets und Mail abgewickelt wird und ein Office 365-Supporter sich auf seine Welt beschränkt.

Dienste und deren Kosten als Kriterium

Besser ist es natürlich, wenn Sie rational die Kosten und Nutzen der verschiedenen Betriebsmodelle gegenüberstellen. Die Zielgruppe von Office 365 lässt sich in drei Gruppen aufteilen, für die es das passende Angebot gibt. Daher beschreibe ich erst mal die Office 365 Szenarien.

  • Klein
    Speziell kleine Firmen können lokal komplett ohne Active Directory oder mit einer kleinen Umgebung (z.B. Small Business) arbeiten und lagern nur ihre Exchange, Sharepoint und vielleicht Lync-Dienste nach Online aus.
    Sie pflegen die Benutzer per Webbrowser und bei der Anmeldung ist eine erneute Eingabe von Anmeldedaten erforderlich. für diese Firmen ist auch der Weg zu Exchange Online mit einer "Cutover-Migration" vermutlich passend.
  • Mittel
    Irgendwann stört Sie natürlich die "Doppelverwaltung" von Anwendern und der Aufwand für die Einrichtung des Verzeichnisabgleich lohnt sich. Sie verwalten dann ihre Benutzer nicht mehr über das Office 365 Portal, sondern ganz normal in ihrem lokalen Active Directory und der DirSync (ein kleiner FIM) übernimmt die Pflege in Office 365.
    Zudem sollten Sie dann auch darüber nachdenken, den Anwendern ein "Single-SignOn" anzubieten. Sie benötigen lediglich einen ADFS-Server, ADFS-Proxy, ein Zertifikat und eine Webveröffentlichung.
    Ihre Dienste können Sie weiterhin komplett in der Cloud betreiben.
  • Groß
    Der unterschied von Mittel zu Groß sehe ich in der Art, wie Exchange betrieben wird. Wenn Sie ihre Postfächer nicht komplett in Office 365 betreiben, sondern auch eigene Exchange Server haben oder die Migration deutlich länger dauert, dann können Sie zusätzlich einen Exchange Connector Server installieren und eine hybride Konfiguration betreiben. Allerdings ist diese Einrichtung schon etwas umfangreicher und erfordert natürlich mehr Knowhow beim Dienstleister aber auch ihren eigenen Administratoren.
  • Dedicated
    Neben dem "Shared Hosting" bietet Microsoft größeren Firmen auch ein "dedicated Hosting" an. Technisch stehen dabei Server im Microsoft Datacenter aber sind Mitglied ihrer Domäne. Es ist also eher ein "Outhousing" von Servern, bei denen Microsoft aber den Betrieb übernimmt. Ihre Firmenstandorte werden mit den Servern über VPNs verbunden. Sie haben also ihre komplett "private" Umgebung aber profitieren von der Betriebserfahrung von Microsoft.
    Dieses Angebot finden Sie aber nicht über das "normale" Office 365 Portal.

Ich habe versucht, das in eine Tabelle zu pressen, auch wenn die Grenzen natürlich fließend sind.

Klassifizierung Klein Mittel Groß Dedicated
Anzahl Benutzer

ca. 0-50

ca. 10-1000

ca. 100-100.000

ca. 20.000+

Lokale Umgebung

Keine Domäne
oder SBS
oder Windows Foundatation

Active
Directory 2003+

Active
Directory 2003+

Active
Directory 2003+

Benutzerverwaltung

per Webbrowser im
Office 365 Portal

Lokal mit DirSync

Lokal mit DirSync

gleiches AD

Anmeldung

Getrennte Benutzernamen
und Kennworte

Single Sign On
mit ADFS

Single Sign On
mit ADFS

Individuell

Exchange Betrieb

Nur Online

Online Only

Hybrid

Dedicated

Exchange Migration

CEM
IMAP4

CEM
SEM

Hybrid

Same Org

Sharepoint

Online

Online

Online

Individuell

Lync

Online ohne Telefonie

Online oder Premises

Online oder Premises

Premises

Eigene Erweiterungen

Keine

Wenig

Wenig

flexibel

Sicherheit

Alle Daten in der Cloud

Alle Daten in der Cloud

partiell Daten in der Cloud, z.B. kritische Postfächer On-Prem

Individuell

Support

Mail und Foren

Mail und Foren

Mail und Foren

Individuell

Neben all den "Fakten" sollten Sie noch ein paar andere Dinge bewerten.

  • Datensicherheit und Fremdzugriff
    Die Daten liegen nicht mehr auf ihrem Grundstück. Aber das ist nicht nur bei Office 365 so. Sehr viele Firmen hosten auch ihre Webseiten oder sogar die komplette Buchhaltung (SAP, Datev) bei externen Dienstleistern. Diese sitzen aber meist im gleichen Land (z.B. Deutschland) und unterliegen den gleichen Gesetzen. Zudem spricht man die gleiche Sprache, ist in der gleichen Zeitzone und kann sich auch mal "besuchen".
    Das ist bei Office 365 etwas anders, da die Daten in anderen Ländern oder sogar Kontinenten liegen und selbst der Pressesprecher von Microsoft gesagt hat, dass Sie als "US Amerikanisches unternehmen" den dortigen Gesetzen unterliegen und z.B. als Folge des 11. Sep die Ermittlungsbehörden sehr weitreichende Rechte sich eingeräumt haben. Sogar soweit, dass der Hoster sich nicht mal darüber unterrichten darf, wenn Ermittlungsbehörden Zugriff genommen haben. (Stichwort Patriot Act)
  • Flexibilität
    Die Nutzung eines standardisierten Dienstes spart aber nicht nur Kosten und verbessert die Verfügbarkeit, sondern erreicht dies eben auch durch den Verzicht auf Flexibilität. Wenn Sie Drittprodukte oder andere Anwendungen mit Diensten verbinden wollen, die in der Cloud liegen, dann müssen Sie die kompatiblen Wege nutzen, sofern überhaupt ein Weg erreichbar ist. für Exchange bedeutet dies, dass ihre Anwendung EWS statt MAPI/CDO nutzen muss. Auch könnte eine 3rd Party Archivlösung den Wechsel nach Office 365 erschweren oder verzögern. Faxserver sind möglich, aber müssen bei ihnen betrieben und individuell angebunden werden.
  • Einschränkungen in Funktionen
    Gerade Exchange Anwender werden z.B.: die "öffentlichen Ordner". Auch die Integration von Status und Präsenz-Informationen mit Exchange Online in OWA geht nur, wenn auch Lync Online genutzt wird. Das schließt aber den Einsatz von Lync als Telefonersatz aus. Bestimmte Funktionen in Sharepoint sind überhaupt nicht möglich.
  • SLA und Bandbreite
    Die garantierte Verfügbarkeit endet am "Übergabepunkt Internet". Und damit ist nicht ihre lokale Anbindung gemeint, sondern eben der Anschluss des Datacenter. Wenn auf dem Weg dorthin eine Störung vorliegt, (z.B. gekappte Seekabel, DoS-Attacken o.ä., dann kann der Anbieter nichts daran ändern. Auch die verfügbare Bandbreite entspricht nicht immer der Leitungsgeschwindigkeit, die Sie eingekauft haben.

Eine solche Betrachtung kann ich hier nicht generell liefern.

Ich habe schon mit mehreren Firmen die Möglichkeiten von gehosteten Diensten (auch schon BPOS und anderen Anbieter) beleuchtet und bewertet. Fast immer war der Cloud-Anbieter rein nach Kosten etc. etwas günstiger. Die Kunden haben aber dennoch den "Eigenbetrieb" gewählt, wenn die Funktionalität und Flexibilität auch in den Preis eingeflossen ist.

Übrigens sollten Sie nicht erwartet, dass allein die Verlagerung des Betriebs zum Hosting-Anbieter schon große Kosten einspart. Auch Office 365 nimmt ihnen nicht die "Verwaltung" ab, d.h. Anlegen, ändern, Löschen von Anwendern und Verteilern, Zurücksetzen von "vergessenen" Kennworten und den gesamten Helpdesk für Endanwender. Sie dürfen letztlich nur die Kosten für Serverhardware, Software und Serverbetrieb gegenüberstellen.

Lizenzen als "Hebel"

Aber selbst wenn Sie sich schon sicher sind, dass Office 365 für Sie nicht weiter interessant ist, sollten Sie einen kleinen aber wichtigen Satz in den Lizenzbedingungen lesen.

Office 365 als Lizenzspender
http://www.microsoft.com/de-de/office365/enterprise-solutions/enterprise-plans.aspx
"Lizenzberechtigungen für den Zugriff auf die lokale Bereitstellung von Exchange Server, SharePoint Server und Lync Server"

Das bedeutet, dass Sie zwar Office 365-Lizenzen kaufen können aber diese auch intern nutzen dürfen. Sie müssen also nur noch die Backend Server (Exchange, Lync, Sharepoint) kaufen und dürfen diese dann lokal installieren. Die hohen Anschaffungskosten für die CALs können Sie mit Office 365 abdecken.

Das funktioniert schon mit dem kleinsten Paket (E1 für 10Euro/User/Monat) und ab E3 (22,75€/User/Monat) können Sie auch Office Professional Plus einsetzen. Das eröffnet ganz neue Wege:

  • Saubere Lizenzen für variable Mitarbeiterzahlen
    Wer Outlook, Exchange oder andere Produkte einsetzt, muss natürlich auch eine korrekte Lizenzierung sicherstellen. Die meisten Firmen schließen entsprechende Volumenverträge ab, die aber dann etwas unflexibel sind. mit Office 365-Lizenzen können Sie quasi monatlich die Anzahl erhöhen oder reduzieren.
  • Strecken von Lizenzkosten
    Für Firmen kann dieser Weg natürlich auch interessant sein, um die Anschaffung neuer Lizenzen z.B.: in das nächste Geschäftsjahr zu verlagern. Was sollte Sie daran hindern, für eine Migration nach Exchange 2010 die CALs erst mal über die monatliche Office 365-Abrechnung zu beziehen und nur die Server zu kaufen. Ich bin allerdings kein Buchhalter und kann nicht beschreiben, ob dies ein legitimer Bilanztrick ist.
  • Flexibilität für Migrationen und Merger
    Interessant ist die Office 365-Lizenz auch für Migrationen. Stellen Sie sich vor, dass Firma 1 einen Sharepoint-Server für 500 Benutzer betreibt und diese Firma nun eine Firma 2 mit 300 Mitarbeitern aufkauft, die aber noch kein Sharepoint einsetzt. Oft erwarten die Geschäftsführer aber, dass die neuen Mitarbeiter möglichst schnell das unternehmensportal verwenden. Durch Office 365-Lizenzen kann diese Lücke sehr kurzfristig geschlossen werden bis letztlich klar ist, wie viele Personen nach Abschluss der Migration Zugriff auf Sharepoint benötigen.

Für Provider, die selbst Hosting anbieten, ist dann das "Microsoft Services Provider License Agreement (SPLA)" das passenden Programm, um ähnliche Dienste anzubieten.

Weitere Links