Mehrwertsteuer

16% oder 19%. wenn es doch nur so einfach wäre. Zum Glück programmiere ich nicht Buchhaltungssoftware aber anscheinend wissen unsere Politiker auch nicht, was sie damit anrichten oder sie werden einfach schlecht beraten. Ich habe da meine eigenen Ansichten.

Steuern

Es ist unbestritten, dass ein Staat sich irgendwie finanzieren muss. Genau genommen nimmt er über Steuern den Einwohnern etwas Geld ab, was er für Allgemeinzwecke wieder ausgibt. Es eigentlich ein Kreislauf, denn die Ausgaben landen ja wieder bei Beamten oder Angestellten, die damit ihre Lebenshaltung bezahlen oder bei Firmen, die Leistungen für die Allgemeinheit erbringen. Denken Sie einfach an Feuerwehrfahrzeuge, Straßenbau, Gerichte, Polizei u.a.

Es gibt natürlich eine Unzahl an Steuern und Abgaben, mit denen Sich einmal der Bund aber auch Länder und Gemeinden finanzieren. Gewerbesteuer, Grunderwerbssteuer, KFZ-Steuer, Lohn/Einkommen-Steuer sind die bekannten Beispiele. Andere Steuern sollten bestimmte Produkte "steuern", z.B. Branntweinsteuer, Mineralölsteuer, Tabaksteuer, wobei ich nicht sicher bin, ob die Intention immer seriös begründbar ist.

Netto und Brutto

Die Umsatzsteuer bzw. Mehrwertsteuer ist aber eine ganz besondere Steuer, denn Sie betrifft nur die privaten Endverbraucher. Wie der Name sagt, möchte unser Staat den "Mehrwert", d.h. den Zugewinn einer Ware damit besteuern. Machen mir das an einer Kartoffel als Beispiel fest, die im Herbst geerntet wird und dem Bauern gehört. Wir ignorieren erst mal, dass die Saat, Pflege und Maschinen dazu als Betriebsausgaben berücksichtigt werden. Das Hauptaugenmerk ist die Ware, die mehrere Stationen durchläuft:

  1. Kartoffeln werden geerntet und verkauft.
    Da unser Staat den der Wertsteigerung mitverdienen will, muss der Verkäufer die Mehrwertsteuer addieren. Bei Nahrungsmitteln sind das 7% Prozent. Andere habe 19% aber es gibt noch viele weitere Steuersätze.
  2. Der Aufkäufer verarbeitet die Kartoffeln z.B. zu Kartoffelsalat oder Chips und verkauft weiter
    Die Firma muss natürlich ihre Aufwendungen (Maschinen, Energie, Raum) einkalkulieren und Waren (z.B. Verpackung, Gewürze) zukaufen , so dass der Verkaufspreis nun höher ist. Die Mehrwertsteuer errechnet sich auf den Netto-Preis und den Steuersatz.
  3. Der Einzelhandel verkauft an den Endkunden
    Hier passiert das Gleiche: Der Supermarkt hat Kosten für Personal, Räume, Logistik und verkauft die Chipstüte mit einem Aufpreis. Entsprechend steigt auch der Anteil der Mehrwertsteuer.
  4. Endverbraucher
    Der bezahlt die Ware mit seinem Netto-Einkommen und freut sich auf den Fernsehabend.

Stellen sie sich vor, sie kaufen ein Möbelstück im Einzelhandel, der von einem Hersteller mit Holz aus einem Sägewerk gebaut wird. Dann ergeben sich hinsichtlich der Mehrwertsteuer folgende Kreisläufe

Sie sehen hier zwei Steuerkreisläufe und zwei Steuererhebungen:

  1. Der erste Umsatzsteuer-Kreislauf findet zwischen Sägewerk und Hersteller statt. Das Sägewerk liefert das Holz mit einem Netto-Warenwert von 1000€ an den Hersteller des Möbelstücks und muss natürlich die 19% damit erheben. Die 19% führt das Sägewerk direkt an das Finanzamt ab.
    Der Hersteller ist natürlich auch ein Gewerbebetrieb und wird sich die bezahlte Vorsteuer vom Finanzamt zurück holen.
  2. Der Hersteller liefert das Möbelstück an den Händler. Der Netto-Warenwert ist durch die Verarbeitung (Kosten für Energie, Personal, Maschinen, Gewinnaufschlag etc.) auf 1500€ gestiegen. Beim Verkauf an den Händler muss der Hersteller nun 19% auf den Netto-Warenwert erheben und an das Finanzamt abführen, die sich der Händler natürlich flugs wieder zurück holt.
  3. Der Kunde kauft das Möbelstück. Der Nettopreis hat der Händler natürlich etwas angehoben, da er ja Kosten für die Verkaufsräume, Personal etc. hat. Auch er addiert die Umsatzsteuer auf die Rechnung, da er den Betrag an das Finanzamt abführt.
  4. Kunde bezahlt brutto
    Der letzte in der Kette ist der private Verbraucher, der die 19% als "Mehrwertsteuer" kennt aber diese natürlich nicht vom Finanzamt erstattet bekommt. Umsatzsteuer und Mehrwertsteuer sind im Grund das gleiche. Der Mehrwert" besteht aus der Addition aller Wertsteigerungen, d.h. dem Warenwert (100€) des Holz, der Verarbeitung (500€) durch den Hersteller und dem Mehrpreis (500€) des Verkäufers.

Als Privatkäufer sind sie aber nicht nur um 2380€ leichter, denn das Möbelstück ist ja ihr privates Vergnügen und muss daher von ihrem Einkommen bezahlt werden, was nach Abzug der Einkommensteuer übrig bleibt. Je nach Steuersatz müssen Sie noch einiges mehr "Brutto" verdienen.

In anderen Ländern, z.B. den USA wird übrigens auf der Ware der "Netto-Preis" angegeben, da die Steuern regional sehr unterschiedlich sind (State-Tax, Personal-Tax, Property-Tax, User-Tax). Wir in Deutschland weisen beim Umgang mit Privatkunden immer den "Brutto-Preis" aus. Ich bin sicher, dass die meisten Verbraucher gar nicht wissen, dass Sie auf ihre Netto-Einkommen damit noch mal die Mehrwertsteuer bezahlen.

Die Idee zu Covid19 und 16%

Wenn nun unser Staat generös einfach mal die Umsatzsteuer reduziert, dann greift er kurzfristig und direkt auf die Brutto-Preise ein, wenn die Händler denn die reduziert Steuer auch weiter geben. Die Hoffnung ist, dass die Verbraucher nun den um "3%" geringeren Preis als Anreiz sehen, wieder zu konsumieren. Eine Volkswirtschaft funktioniert nämlich um so besser, je mehr "umgesetzt" wird. Wenn jeder auf seinem Geld "sitzt" und nur das notwendigste konsumiert, dann gibt es keine Verkäufer, die Regale auffüllen, keine Pilote, die in Urlaubsgebiete fliegen, keine KFZ-Monteure, die Autos produzieren und die Kette lässt sich endlos fortsetzen. Ich habe das Bild also noch einmal mit 16% gezeichnet.

Wenn sie die beiden Bilder vergleichen, dann erkennen Sie aber auch, dass die Kosten der "Firmen" sich nicht verändert haben und nur die Umsatzsteuerkreisläufe 1 und 2 sich reduziert haben. Nur bei der Position 3 bekommt das Finanzamt nun statt 380€ nur 320€. Als Verbrauche bezahlen Sie also 3%, hier also 60€, weniger als vor dem 1.7.2020.

Das kann bei größeren Anschaffungen, z.B. einem Auto, einer Wohnzimmereinrichtung o.ä. schon ein Anreiz sein, die Anschaffung noch vor dem 31.12.2020 zu tätigen. Beim täglichen Bedarf kommen die 3% zwar auch zum Tragen, aber sie können hier nur bedingt Einkäufe in den 16% Zeitraum verschieben. Brot und Milch hält sich nun mal eher Tage denn Jahre. Mit der Absenkung des reduzierten Steuersatzes von 7% auf 5% verhält es sich gleich.

Mehrwertsteuer vs. Einkommensteuer

Die sehr kurzfristige Änderung der Mehrwertsteuer bringt den Firmen selbst nicht aber sie kostet natürlich die Firmen, die für die Umstellung der IT-Software, ggfls. Preisschilder, Kataloge etc. zusätzlichen Aufwand einplanen müssen. Das ganze nur für 3%/2% weniger Kosten auf der privaten Seite? Ich frage mich generell, warum unsere Gesellschaft sich die Umsatzsteuer in der Form überhaupt antut. Sie fällt nur für Privatverbraucher an, die ihr Brutto-Einkommen schon über die Einkommensteuer versteuert haben.

Ich bezeichne die Mehrwertsteuer gerne als nachgelagerte Einkommensteuer ohne Progression

Denn faktisch ist sie das. Mein "Netto-Lohn" genügt nicht, um die Ware zu kaufen, sondern ich muss zusätzlich noch mal den jeweiligen Mehrwertsteuersatz mit abführen. Ich habe als 7%7% oder 16/19% weniger Einkommen unterm Strich zur Verfügung. Sie fällt allerdinge erst beim Kauf selbst an und noch nicht beim "verdienen". Vom Geld auf ihrem Sparbuch können wir genau genommen noch nicht von "voll versteuertem Einkommen" sprechen.

Vermutlich wird sich aber niemand trauen, die Umsatzsteuer komplett abzuschaffen und die Einkommensteuer entsprechend anzuheben. Wenn dann ein Spitzensteuersatz über 60% heraus kommt und selbst geringe Einkommen 19% mehr an Steuern bezahlen müssen, dürfte ein Aufschrei oder mehr durch das Land gehen. So wird jedem Bürger erst beim Kauf noch mal die 19% abgeknöpft. Und das passiert Unabhängig von der individuellen Einkommenshöhe, d.h. selbst ein Harz-4-Empfänger führt von seiner Unterstützungsleistung durch die Mehrwertsteuer 19%/16% an das Finanzamt wieder ab.

Dass unser Staat mit angepassten Steuersätzen bestimmte Produkte gezielt vergünstigen kann (reduzierter Satz auf Nahrungsmittel, täglicher Bedarf etc.) wird gerne vorgeschoben aber der Wildwuchs der unterschiedlichen Sätze ist für den Laien kaum mehr zu verstehen. Da wird zwischen "Restaurant" und "Außer Haus verzehr", zwischen Schwein, Schaf und Esel unterschieden und früher gab es noch einen 12,8% Satz als Mischberechnung bei den Reisekosten.

Eigentlich wäre es an der Zeit die Umsatzsteuer/Mehrwertsteuer komplett abzuschaffen und das Steuersystem deutlich zu vereinfachen. Das würde dann allerdings eine Heerschar von Steuerberaten, Optimieren, Fachanwälten, etc. dazu zwingen, andere Tätigkeiten anzunehmen. Auch Steuerprüfer könnten sich dann auf die anderen Fälle (CumEx etc.) konzentrieren.

Der alltägliche Steuerbetrug ist nämlich meist zum Nachteil der Personen mit niedrigeren Einkommen, bei denen sich die "Steuer-Optimierung" durch Fachleute und das Ausnutzen von Lücken nie rechnet. Das ist übrigens auch ein Grund, warum ich ohne Steuerberater auskomme. Die tägliche Buchhaltung und Rechnungsstellung muss ich eh machen und ein Steuerberater kostet einfach mehr als das Einsparpotential.

Mehrwertsteuerbetrug

Das System mit den Kreisläufen der Umsatzsteuer lädt immer wieder zu Betrügereien ein. Mir ist das noch nicht gelungen und dass das Finanzamt bei kleinen Firmen aufpasst, merke ich immer beim Kauf eines Firmenfahrzeugs. Als kleiner Selbständiger habe ich jeden Monat eine fast identische Umsatzsteueranmeldung zu leisten und wenige Tausend Euro ans Finanzamt abzuführen. Wenn aber mal ei "größerer Batzen" an Ausgaben ansteht, dann kann ich mit die Umsatzsteuer von der Rechnung zurückholen und das Finanzamt muss mir die Differenz auszahlen. Bislang hat mein Finanzamt jedes Mal eine Kopie der Rechnung angefordert, um die korrekte Erklärung zu prüfen.

Aber anscheinend passiert das nur bei kleinen Firmen, bei denen die Software "anschlägt". Wie sonst soll ich mir erklären, dass es immer wieder Berichte über groß angelegte Betrügereien gibt. Eine betrügerische Firma 1 sendet eine hohe Rechnung samt ausgewiesener Umsatzsteuer an eine betrügerische Firma 2, die dann sich die Umsatzsteuer vom Finanzamt im Rahmen einer monatlich abzugebenden Umsatzsteuererklärung wieder zurück holt. Wenn das Finanzamt nicht prüft, dass die Firma 1 auch ihrerseits die angeblich erhaltene Umsatzsteuer ans Finanzamt abgeführt hat, dann ist das Geld weg und kommt nie wieder an.

Das Ganze funktioniert natürlich noch besser, wenn unterschiedliche Länder involviert sind und der Datenabgleich zwischen den Behörden solche Machenschaften nicht frühzeitig erkennen. Interessant ist dabei, dass in der Umsatzsteuervoranmeldung dies da Thema "Abziehbare Vorsteuerbeträge" wie folgt beschrieben:


Quelle: https://www.elster.de/eportal/interpreter/eingabe/ustvaeru-2020/Startseite/AbziehbareVorsteuerbetraege

Bei Lieferungen über Grenzen hinaus können Unternehmer die Umsatzsteuerberechnung wohl vermeiden, wenn Sie die Umsatzsteuer-ID verwenden und nur wenn der ausländische Unternehmer dennoch Umsatzsteuer berechnet (und an seinen Staat abgeführt hat), dann kann der Empfänger dieser vom Finanzamt des anderen Landes wieder erhalten. Sie kennen das sicher, wenn Sie im Ausland etwas einkaufen und sich am Abflughafen die Mehrwertsteuer erstatten lassen können um am Zielflughafen dann wieder die Einfuhrumsatzsteuer abzuführen.

Ich verstehe einfach nicht, warum es da im innerdeutschen Geschäft mit einer Umsatzsteuernummer nicht auch entfallen könnte. Solange ich bei der Bestellung eine Umsatzsteuernummer angebe oder ich bei einer Lieferung die des Empfängers mit angebe, könnte das interne Verrechnen zwischen Firmen entfallen. Dann muss quasi nur der Verkäufer an Privatpersonen, die keinen Beleg ihrer Umsatzsteuerpflicht vorweisen, die Mehrwertsteuer berechnen, einnehmen und abführen.

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