Geld per Gießkanne

Verstehen Sie, warum COVID19 erst die Aktienkurse einbrechen lässt und sie sich dann so schnell wieder erholt habe, während die Wirtschaft angeblich auf dem Weg eine tiefe Rezession ist?

Ich bin kein studierter Volkswirt und habe nicht mal einen Abschluss in BWL aber es gehört nicht viel dazu zu erraten, dass das auch an der Geldschwemme liegt. Kaum stürzen die Aktien und Anleihen, sehen natürlich viele institutionelle Anleger das Problem auf sich zukommen, dass ihre Werte quasi vernichtet werden. Das betrifft nicht nur klassische Anleger wie Lebensversicherungen, Renten etc., die eingenommene Gelder natürlich nicht auf einer Bank liegen lassen können. Es "trifft" natürlich auch die ein oder anderen privaten "Vermögensverwaltungen", die über entsprechende Lobby-Verbände "korrigierend" eingreifen.

EZB, Aktien und Banken

Also kauft die EZB Anteile von Firmen auf und wenn die Nachfrage höher ist, als das Angebot, dann steigt der Preis und schon steigen die Aktien wieder. Einen Bezug zur realen Wirtschaft muss dabei gar nicht gegeben sein. Der Wert einer Aktion bemisst sich mittlerweile auch eher an dem möglichen Kursgewinn und weniger an den Dividenden. Die sind zwar immer noch eine gut Basis für Vermögensgestaltung aber hinter den hochgelobten Aktien wie Apple, Telsa, Google etc. stecken ja keine "realen Wert" in Form von Maschinen oder Grundstücken. Allerding werden "Kunden, Daten und Erwartungen" eben auch in den Preis einbezogen und solange jemand anderes noch mehr Aktien kaufen will, als andere verkaufen, geht die Spirale weiter nach oben.

Wenn vorne aber die EZB hohe Geldbeträge in den Markt drückt, dann möchte sie damit ja etwas bezwecken. Wenn die Banken "günstig" an Geld kommen, dann können Sie es hoffentlich aggressiv an Firmen verleihen (Kredit), so dass die Firmen mit dem Geld dann wieder mehr kaufen oder investieren. Auf dass sich die Drehzahl der Kreislaufwirtschaft erhöht und vor allem nicht verlangsamt.

Der deutsche Michel

Vor dem Scheckgespenst "Deflation" haben ja alle irgendwie Angst. Wenn der deutsche Michel Angst um seinen Arbeitsplatz hat, dann ist er erst mal sparsam, kauft nur das Notwendigste und in der Folge machen die Verkäufer, d.h. die Geschäfte weniger Umsatz. Da die Kosten für Miete, Strom etc. gleich bleiben, sinkt der Gewinn und dann versucht der Geschäftsführer eben mit Kurzarbeit, Entlassungen o.ä, gegen zu steuern. Wer aber weniger arbeitet, hat deutlich weniger Geld zum Ausgeben und schon dreht sich die Spirale in die falsche Richtung.

Allerdings ist die Krise sehr individuell. Ich sehe nicht, dass der Mitarbeiter der Tankstelle, des Einzelhandels, Ärzte, Pflege, Polizei oder generell die Handwerkerschaft mit Covid19 ein direktes Problem haben. Die Tätigkeiten werden weiter gehen. weil sie systemrelevant sind. Vielleicht verlagern sich Aufträge etc., denn wenn der private Verbraucher sein Geld zusammenhält, dann kauft er weniger exquisit ein oder verschiebt Handwerkertätigkeiten nach hinten. Allerdings kann das dem Handwerk vermutlich nur recht sein, die in letzter Zeit schon gut ausgelastet waren.

Es gibt aber konkrete Beispiele, die natürlich ganz schnell ohne Einkommen da stehen, Insbesondere die Kunst (Schauspieler, Musiker, etc.) haben ein Problem. Das Friseurhandwerk hatte ja nur kurz einen Aussetzer, denn "nachholen" kann man da nicht viel.

Das "Bargeldproblem" und die armen Banken

Größere Sorgen haben aber mittlerweile die Banken, denen das klassische Verdienstmodell mit Krediten wegbricht. Im Aug 2020 bezahlen Banken ca. 0,5% an die Bundesbank, wenn sie Kundeneinlagen dort sichern. Das passiert aber jede Nacht was zu einer komischen Rechnung führt:

Wenn Sie wirklich 100.000€ "Bar" auf einer Bank liegen haben (Giro-Konto, Festgeld, Tagesgeld, Sparbuch), dann bekommen Sie als Anleger dafür heute zu wenig Zinsen, um überhaupt nur die Inflationsrate auszugleichen. Und davon will unsere Staat dann noch die Einkommensteuer behalten. Leider ist die Inflationsrate nämlich nicht als "Kosten des Geldverkehrs" absetzbar". Aber für die Bank sieht die Rechnung noch ungünstiger aus.

Sie muss auf die 100.000€ ca. 0,5% Zinsen bezahlen. Im Jahr kommen so 500€ an Kosten zusammen, d.h. die als Verbraucher würden die Bank ca. 40€/Monat "kosten". Das ist weit mehr, als die Banken für ihr Girokonto verrechnen. Das wird sehr kurzfristig die Mittelschicht erreichen, die tatsächlich mal die ein oder anderen Beträge irgendwo "geparkt" hat, weil sie nicht von der Hand in den Mund leben. Der Anruf des "Vermögensberaters" wird natürlich wieder Richtung "Anlagen" gehen, womit das Geld dann aber wieder nur weiter gereicht wird. Das "Problem" des Bargelds wird einfach nur weiter geschoben.

Ich frage mich allerdings, welche Auswüchse das dann annimmt und ob das denn wirklich gut für die Allgemeinheit ist. Wenn ich eine Kind immer nur Zucker gebe, dann lernt es nie was Vernünftiges und nachhaltiges zu Essen. Es ist zu befürchten, dann die Situation umgehend eskaliert, wenn die Freizügigkeit endet.

Interessanterweise kommt die Zins-Situation so gar nicht beim Kunden an. Die Überziehungszinsen bei Girokonten sind immer noch unverschämt hoch und betreffen letztlich die, die eh immer knapp wirtschaften müssen.

Geld anders einsetzen?

Zuerst würde ich mal hinterfragen, was diese Geldschwemme tatsächlich bewirkt. Die Empfänger sind heute nämlich genau die Kreise, die ansonsten die Flagge der "freie Markt regel das" am höchsten halten. Wenn aber der Markt sich mal dynamisch anpassen müsste, dann sollen die Regeln nicht mehr gelten? "Firmen" sind virtuelle Objekte, auch wenn sie Gebäude, Werkzeuge, Betriebsmittel und sogar Gesellschafter oder Aktionäre haben. Die meisten Firmen sollten aber einen "Shutdown" einige Tage oder Wochen überstehen können. Es gibt sicher Ausnahmen, (z.B. Hochöfen, Kraftwerke etc.) die nicht einfach ausgeschaltet werden können und andere Firmen, die nicht pausieren sollten (Lebensmittel, Logistik etc.). Wenn einem örtlichen Handwerksbetrieb nach wenigen Tagen schon "die Pleite droht" und daher die Corona-Hilfen von bis zu 9000€ in Anspruch nimmt, dann gibt mir das  zu denken. Sollte ich zukünftig diese Betriebe wirklich noch mit einem Auftrag bedenken, wenn Sie so auf Kante genäht arbeiten? Sie sieht es dann mit dem Überleben aus, wenn man etwas schief geht und eine Nachbesserung erforderlich ist. Oder ein Kunde selbst zahlungsunfähig ist.

Was spricht dagegen, die "Fördergelder" an die Verbraucher auszuzahlen, die dann damit die Wirtschaft ankurbeln? Die Schulden werden ja eh wieder auf die Bevölkerung umgelegt. Und dann sind wir wieder bei der Frage, warum ein Staat sich irgendwo "Geld leihen" muss, um es dann in Aufkäufe von "Papieren" zu stecken. Eine Senkung der Mehrwertsteuer ist wohl der gut gemeinte, aber schlecht gemachte Versuch, eben so die Verbraucher zu mehr Konsum zu verleiten. Nur warum sollte jemand, der um sein Einkommen besorgt ist, gerade nun wegen 3% Nachlass eine Anschaffung tätigen? Für Firmen ist es eh egal, ob da nun 19%/16% oder 0% stehen würden.

Wenn das Geld aber schon nicht direkt an die Menschen gehen soll, dann könnte man doch nun all die aufgestauten Defizite nacharbeiten. Sei es Digitalisierung oder Straßenbau oder gleich moderne Mobilitätkonzepte. Darunter verstehe ich nun nicht aber die sogar rückwirkende Förderung von bereit gekauften E-Fahrzeugen. Firmen können sich Fahrzeuge problemlos per Bank-Kredit oder Leasing finanzieren, wenn sie von ihrer Hausbank als "gesund" eingestuft werden.

Da aber unsere hiesigen Autobauer ja immer noch keine E-Autos liefern können, kommen die ganzen Förderprämien dort gar nicht an. hat da einer geschlafen oder ist es sogar Absicht, dass Tesla, Kia, Renault etc. gerade viel mehr E-Autos Richtung Deutschland liefern, während BMW, Mercedes, VW panisch reagieren.

Endlose Spirale oder harter Fall?

Wenn man sich das alles so anschaut, dann stelle ich mir schon die Frage, wie lange diese Spirale noch sinnvoll weiter gehen kann. Es gibt auf der Welt immer noch sehr viele Menschen, die in Kontinuität leben: Sie arbeiten um zu Leben und das seit Jahrhunderten quasi linear. Die ganze Tierwelt funktioniert anscheinend so. Nur wir Menschen in unserem Wahn des "Höher, weiter, schneller" fallen aus der Reihe.

Die Frage ist einfach, wann wir mal wieder eine größere Zäsur erleben, die einen Neuanfang erforderlich macht. Alle Neuanfänger dieser Art hatten Auslöser, die ich alle nicht als wünschenswert ansehen

  • Kriege
  • Seuchen
  • Naturkatastrophen

Aber ich gehe mittlerweile davon aus, dass es keine Frage des "Ob" sondern nur des "Wann" für eine Zäsur ist. Entweder zerstören wir unsere Lebensgrundlage in den nächsten Jahrhunderten, oder wie zerfleischen uns durch Kriege oder Covid19 war nur ein erster Vorgeschmack. Von der politischen Elite erwarte ich wenig, denn sie denkt eher in Wahlperioden denn in Generationen. Die Forschung und Naturwissenschaften werden sich alle Mühe geben, neue Dinge zu entdecken und Lösungen zu präsentieren, die mal besser oder schlechter funktionieren. Aber als Vater mache mache ich mir schon meine Gedanken