Mail, Blog, Sharing

Wir reden jeden Tag mit Kunden über "Modern Work", "Modern Workplace" und andere Buzz-Words aber ich möchte hier einmal ein konkretes Beispiel geben, warum die Zeiten eines einfachen Dateiservers und Email eigentlich schon wieder Geschichte sein sollten.

Aufgabenstellung

In jeder Firma gibt es die Anforderungen, Informationen zu teilen. Wir kennen alle den klassischen Weg eines "Ausgangs" an einer Wand, der mittlerweile schon länger durch ein Intranet ersetzt sein kann. Aber es gibt immer noch Personen, die "richtig arbeiten" und nicht nur Mäuse schieben und vielleicht gar keinen PC haben. Die sollten nicht abgeschnitten werden. Daher gibt es auch noch Mail als einfaches Transportmittel mit all seinen Einschränkungen. Die Aufgabe ist aber immer die gleiche:

  • Person 1 ist "verantwortlich" für ein Thema
    Sie macht sich ihre Gedanken, erstellt eine erste Version und bespricht sich vielleicht noch im engsten Kollegenkreis. Aber das ist seit COVID ja nicht mehr so einfach. Also wird ein erster Entwurf bereitgestellt.
  • Diese Information muss nun an mehrere Teammitglieder geteilt werden.
    Die Empfänger lesen zu unterschiedlichen Zeiten die Information und haben Rückfragen, Verbesserungswünsche.
  • Diese "Feedbackschleife" wiederholt sich eventuell mehrfach.
  • Eine finale Version wird beschlossen.

Soweit ein ganz normaler täglicher Prozess in Unternehmen.

Mittel der Wahl

Bei vielen einfachen Dingen kann eine klassische Gruppenbesprechung in einem Raum oder selbst ein Teams Meeting sehr schnell zu Ergebnissen führen. Aber auch solche Besprechungen müssen vorbereitet werden und wenn es etwas komplexer ist und die Anzahl der eingebundenen Personen größer ist, dann funktioniert ein Realtime-Meeting immer schlechter. Es kann nämlich nur eine Person sprechen und nicht jeder kommt ausreichend zum Punkt. Zudem ist es nicht immer einfach, alle beteiligten Personen zeitgleich zusammen zu bekommen. Arbeiten über verschiedene Länder und Zeitzonen erschweren dies zusätzlich.

Ich stelle drei Varianten vor, die im nächsten Abschnitt gegenüber gestellt werden. Postbriefe, Fax, Telex o.ä. lasse ich wegen Chancenlosigkeit gleich weg:

  • Mail/Foren
    Aus heutiger Sicht ein sehr altes aber bewährtes Mittel zur elektronischen Kommunikation zwischen Menschen und in Form von Listservern auch heute noch in Verwendung. Allerdings mit dem großen Problem, dass Informationen mehrfach dupliziert werden und Konversationen sehr schnell sehr lange werden
  • Blog/Web
    Da Mails und Foren für Zusammenfassungen ihre Grenzen haben, habe ich schon für über 20 Jahren die MSXFAQ als Webseite gestartet, auf der ich Themen auf Seiten veröffentliche und die Seiten auch immer wieder überarbeite, korrigiere und weiterschreibe. Genauso könnten Sie in einer Firma z.B. Informationen als Teil einer Webseite oder eines Blog veröffentlichen und Rückmeldungen umgehend einfließen lassen. Als Autor behalten Sie die Hoheit aber alle Teilnehmer sehen die gleiche aktuelle Information
  • Wiki/OneDrive
    Mit Word und einer Ablage auf OneDrive/SharePoint ist es mittlerweile normal geworden, dass mehrere Personen zur gleichen Zeit am gleichen Dokument arbeiten. Wenn Sie es zulassen, können ihre Kollegen direkt die Informationen aktualisieren, erweitern und korrigieren. Versionen und Überarbeiten-Kennzeichnungen erlauben ein Nachverfolgen der Änderungen und sogar ein Rollback. Wikipedia macht dies schon lange vor aber in den meisten Firmen sind Word/Excel/PowerPoint halt immer noch gebräuchlicher anstatt HTML oder Markdown zu schreiben.

Alle drei Techniken haben ihre Vor- und Nachteile und natürlich muss es auch die passende Plattform geben.

Ablauf

Also lassen Sie mich die drei Optionen bei der Aufbereitung eines Thema über mehrere Phasen beschreiben. Ich schätze absichtlich nicht den Arbeitsaufwand und Zeitbedarf für jeden einzelnen Schritt. Das sollte Sie aber beim Lesen für sich machen, denn das Ergebnis ist am Ende ein abgestimmtes Dokument. Der Weg unterscheidet sich aber und Arbeitszeit und Laufzeitunterschiede sind letztlich auch Kosten:

Die Tabelle beschreibt für alle drei Arbeitsweisen die Aktivitäten zur entsprechenden Phase.

Aktion Mail Web/Blog Wiki/OneDrive

Initiale Version

Sie sind für ein Thema zuständig und erstellen eine erste Version

Sie schreiben eine Mail oder in komplexeren Fällen ein Office-Dokument in ihrem privaten Dateiverzeichnis.

Sie schreiben einen Blog-Artikel oder HTML-Seite auf einer Webseite, z.B. ihrem Intranet.

Sie schreiben in Word und speichern die Datei in Teams, SharePoint oder ihrem OneDrive.

Information der Teilnehmer

Sie müssen ihre Teammitglieder und Coworker auf die neue Information aufmerksam machen

Sie senden die Mail mit dem Inhalt oder dem Office-Dokument an die Teilnehmer. Sie wissen schon, dass Sie schon jetzt die ersten Duplikate erstellt haben.

Sie informieren die Personen z.B. per Mail oder RSS-Feed mit einem Link auf die URL und bitten um Feedback in den Kommentarbereich am Ende des Blog.

Sie informieren die Personen z.B. per Mail mit einem Link auf die URL und bitten entweder um Feedback mit der Word-Kommentarfunktion oder erlauben den Teilnehmern direkt die Stellen zu ändern.

Erste Rückmeldung

Die frühen Leser teilen eine Feedback mit ihnen.

Über "Antworten" senden die Leser ihre Anmerkungen als Mail. Teils nur als Text-Mail, einige zitieren ihre Mail und addieren zwischendrin ihre Anmerkungen. Es gibt keinen Standard. Viel Spaß beim Einarbeiten der Korrekturen.

Die ersten Kommentar trudeln am Ende des Blog mit ein. Das ist gut, denn wenn spätere Personen etwas melden wollen, können Sie in den Kommentaren schon sehen, wenn jemand sonst schon die gleiche Anmerkung hat.

Die Empfänger nutzen Office oder ihren Browser um das Dokument zu lesen und zu kommentieren oder direkt zu überarbeiten.

Späte Leser

Nicht alle Empfänger können sofort die Information lesen

Die späten Leser sehen immer noch die erste schon lange veraltete Mail, da sie noch keine Überarbeitung bereitgestellt haben. Teils werden die gleichen Fehler erneut gemeldet. Es ist nicht ganz einfach doppelte Korrekturen zuzuordnen.

Mit etwas Glück ersparen Sie sich Rückmeldungen zu Fehlern, denn die späten Leser sehen schon die überarbeite Version und melden die noch vorhandenen Fehler.

Auch die späten Leser sehen die aktuellste Version und wenn Sie Fehler erkennen, können Sie diese direkt im Dokument kommentieren und korrigieren.

Update

Ihr Dokument entwickelt sich weiter und Sie möchten die Teilnehmer natürlich darüber informieren.

Bei Nutzung von Email versenden Sie den aktuellen Stand erneut an die Teilnehmerliste. Die Empfänger sollten nun natürlich die bisherigen Versionen und Konversationen entsorgen. Die Praxis zeigt, dass dies aber nicht passiert und damit in den verschiedenen Postfächern unzählige Versionen schlummern und vielleicht weiter gegeben werden.

Sie sehen die Kommentare und einige Rückmeldungen kommen sicher auch per Mail. Es obliegt aber ihnen als "Redakteur" diese Rückmeldungen durch eine Überarbeitung der Seite einfließen zu lassen. Nur dann sehen die anderen Kollegen.

Sie müssen keine Updates versenden, denn es gibt nur die eine aktive Version, die alle sofort sehen.

Auditorium ändert sich

Vielleicht erfordert ihr Thema, dass neue Teilnehmer eingebunden werden oder andere Teilnehmer nicht mehr erforderlich sind.

Sie müssen beim nächsten Update die Empfängerliste anpassen. Überlegen Sie sich, wie Sie neue Teilnehmer ggfls. über die Vorgeschichte der Information in Kenntnis setzen.

Es wird auch passieren, dass ein Empfänger selbst die Mail an eine weitere Person sendet, die Sie als Autor vielleicht vergessen haben.

Wer kein Interesse mehr hat, schaut sich die Seite nicht mehr an und neue Teilnehmer bekommen einfach den Link, lesen die aktuelle Version und haben Einblick in die Kommentare.

Nur die aktiven Teilnehmer arbeiten aktiv mit der Datei. Neue Teilnehmer können einfach eingeladen werden.

Kopien/Versionen

Jede Überarbeitung erzeugt neue Versionsstände.

Als Absender haben sie keine Kontrolle über die Inhalte im Postfach des Empfängers. So sammeln sich nicht nur viele Versionen in ihrem "Gesendete Objekte"-Ordner sondern ebenso viele Kopien in den Postfächern der Empfänger und wer weiß da noch, welche aktuell ist?

Durch die Überarbeitung des für den Teilnehmerkreis erreichbaren Artikels sehen alle Personen immer ihre aktuelle Version. Sie hängt aber vielleicht etwas den Kommentaren nach, da sie ja auch nicht 24x7 die Rückmeldungen einpflegen können.

Ein Wiki oder Office-Dokument auf OneDrive/SharePoint kenn die *Überarbeitungen" und Versionen aber die Teilnehmer sehen die aktuelle Version und können diese auch ohne Zeitverzug verändern und korrigieren.

Dokumentschutz

Wie "schützen" sie die Informationen?

Mail ist per Definition eine "Postkarte" und selbst ein Schutz per SMIME/PGP kann nicht verhindern, dass ein Empfänger die erhaltene Kopie weiterleitet.

Die Webseite kann durch eine Authentifizierung gesichert werden. Dennoch könnten Leser die Inhalte einfach herunterladen und offline ausleiten. Ein Schutz ist nicht möglich.

Ein Schutz der Dokumente per Kennwort ist nicht praktikabel, da alle das gleiche Kennwort wissen müssten. Es gibt aber Azure Information Protection, womit die Nutzbarkeit auf Personen eingeschränkt werden kann.

Bewertung

Schlecht

Mittel

Stand der Technik

Dies ist nur eine relativ einfach geradlinige Argumentationskette. Die Komplexität und Verluste und damit auch Kosten und Zeitbedarf steigen exponentiell mit der der Anzahl der Teilnehmer, Überarbeitungsschleifen und Zeitdauer.

Einschätzung

Ich mache es kurz:

Wer heute noch Informationen per Mail teilt und Collaboration als Serie von Massenmails mit langem "Konversationsbaum" betreibt, hat die letzten Jahre verschlafen. Es ist absolut notwendig, Informationen an einem zentralen Ort bereitzustellen und den Teilnehmern einen einfachen Zugriff auf die Information zu geben. Wenn sie diese Information dann anhand der Rückmeldungen schnell aktualisieren, sehen die Teilnehmer immer den aktuellen Stand und reduziert schon längst überholte Rückmeldungen. Die Leser erkennen auch, dass es voran geht.

Früher war Mail ein legitimes Mittel ein Thema zu diskutieren aber nie für die Bearbeitung von Fortschreibung von Dokumenten geeignet. Wikis wie Wikipedia sind allseits bekannt und werden intensiv genutzt aber viel weniger Menschen tragen auch aktiv etwas dazu bei. Das mag auch an der für viele ungewohnten Funktion liegen. Im Office-Umfeld ist aber ein einfacher Zugang erforderlich und das ist in vielen Fällen nun mal z.B. Word. Sie brauchen nur die passende Ablage. Ein alter Dateiserver war schon nicht schlecht aber paralleles Bearbeiten, auch i Browser oder Mobil, geht damit nur eingeschränkt. Das geht mit einer geeigneten Plattform, sei es ein OneDrive, SharePoint oder wegen mir auch anderen Produkten wie z.B. Confluence viel besser. Durch die Integration der Dateien in Teams müssen Anwender gar nicht mehr ihre Umgebung verlassen.

Allerdings erfordert dieser Wechsel ein Umdenken bei den Anwendern und Führungskräften, denn es gibt schon einige Themen, die oft unausgesprochen bleiben.

  • Zuordnung der Leistung / Zielvorgaben
    Zu oft steckt in den Köpfen noch die "Mein Dokument, meine Leistung, meine Prämie"-Denkweise. Wenn es viele Autoren gibt, dann ist der individuelle Beitrag nicht mehr so deutlich sichtbar
  • Vertrauen
    Dazu gehört auch das "Loslassen" der ersten Autors. Andere Kollegen erweitern, korrigieren und löschen Passagen aus dem Dokument. Solange das Ergebnis immer besser wird, hilft es allen aber natürlich muss man wie in einem Meeting Kompromisse schließen. Das bedeutet auch, dass man nicht mit jeder Überarbeitung 100% übereinstimmen muss, aber wenn Sie die fremden Beiträge immer wieder umschreiben, dann verlieren andere die Lust, weil ihr Anteil nicht sichtbar bleibt.
  • Messbarkeit der Leistung
    Zu oft steckt in den Köpfen noch die "Mein Dokument, meine Leistung, meine Prämie"-Denkweise. Kann mein Chef sehen, was ich bei anderen Personen beitrage? Das ist insbesondere beim Bewerten der Zielvorgaben wichtig, denn beim Geld hört bekanntlich die Freundschaft auf.

Das sind nur ein paar Aspekte und ich muss mir da auch an die Nase fassen. Die MSXFAQ ist ja auch aufgrund der eingesetzten Technologie immer noch eine "Webseite" und kein frei editierbares Wiki. Ihre Umgebung und Zielsetzung ist in jede Entscheidung mit einzubeziehen.

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