Exchange 2010 Markteinschätzung

Diese "Meinung" kann sehr schnell überholt sein. Ich bin kein Hellserver und sie sollten keine Aktienkäufe aufgrund meiner Einschätzungen tätigen. Der Artikel ist Stand April 2009.

Kaum veröffentlicht Microsoft eine neue Beta-Version, schon laufen die Presse und Marketingaktivitäten auf Hochtouren. Microsoft selbst lanciert Berichte, schaltet Werbung und auch Partner, Consultants etc. bearbeiten ihre Kunden um die Bereitschaft für ein Update zu schaffen. Doch sind Sie überhaupt der "Kunde" für Exchange 2010 ?. Ich möchte auf dieser Seite eine Einschätzung zu Exchange 2010 zu geben

Exchange 2010 ist natürlich ein weiterer Schritt in der Entwicklungsstufe von Exchange. Allerdings werden sich einige Firmen aber auch Dienstleister fragen, ob es ein Schritt in die richtige Richtung ist und ob Exchange 2010 nicht nur das bessere Exchange 2007 ist, so wie Exchange 2003 oft als "das bessere Exchange 2000" angesehen wird.

Groß oder Klein ?

Bei all den neuen Funktionen ist schon seit Exchange 2007 ersichtlich, das die großen Installationen am ehesten davon profitieren. Exchange 2010 führt diesen Weg fort, indem die Verfügbarkeit mit DAGs weiter vereinfacht wurde und dabei günstigere Massenspeicher (kein SAN) und unter bestimmten Voraussetzungen sogar auf lokale RAIDs und ein Backup komplett verzichtet werden kann. Dies erfordert aber gleich mehrere Windows Enterprise Server, so dass die Daten auf mehreren Servern vorliegen.

Damit entfernt sich Exchange scheinbar immer weiter vom klassischen mittleren und kleineren Installationen. Es kann der Eindruck aufkommen, dass Exchange 2007 und erst Recht 2010 nur noch für die Giganten wie Siemens, Boeing, Armee, öffentliche Verwaltung und natürlich Hoster entwickelt wird. Der Eindruck war 2006, als Exchange 2007 freigegeben wurde, noch größer da hier zusätzlich die 64bit-Schwelle zu nehmen war.

Exchange 2007 und Small Business

Heute (Apr 2009) installieren aber auch viele Firmen einen Small Business Server 2008, in dem ja auch ein Exchange 2007 integriert ist. Dass dazu mindestens 4-8 Gigabyte Hauptspeicher sinnvoll sind, ist heute kein Hinderungsgrund mehr. Vor drei Jahren war dass anders. Ich kann mich noch gut an die Zeiten erinnern, in denen 1 Megabyte Hauptspeicher schon viel war, oder mein erster Exchange 4.0 Server mit 64 MB auf Windows NT 3.51 zurecht kommen durfte. Heute haben wir in Notebooks mehr Speicher als mein erster Server als Festplatte zur Verfügung hatte und vermutlich werden in ein paar Jahren die Anforderungen auch hier niemand mehr abschrecken, Exchange 2010 als einzelnen Server zu installieren. Und auch das wird funktionieren.

Wenn sie als Firma komplett unabhängig von externen Dienstleistungen sein wollen und ihre Daten wirklich auch in ihren eigenen vier Wänden vorhalten wollen, dann können Sie auch zukünftig Exchange selbst betreiben. Viele Firmen werden dies auch tun und wir (z.B. Net at Work) werden Sie als Consultants und Systemhaus dabei gerne unterstützen.

Cloud und Hosting ?

Es sind sicher nicht nur die Keynotes und Pressemeldungen verschiedener Hersteller zum Thema "Cloud Computing", die einen umbruch in der IT-Branche möglich erscheinen lassen. Ich sage absichtlich "erscheinen", da viele Visionen der Vergangenheit (z.B. Terminal Server, ThinClients, NetClient) doch nur sinnvoll abgemildert umgesetzt wurden. Exchange 2010 enthält sehr viele Bestandteile, um Postfächer nicht mehr selbst zu verwalten, sondern diese Funktion an Dienstleister abzugeben. In anderen Bereichen (z. B. Flottenverwaltung, Hausmeister, Reinigung etc.) ist diese externe Vergabe schon lange üblich. Auch in der IT sind externe Zuarbeiter oder "ausgelagerte" Entwicklungsabteilungen oder Helpdesk an der Tagesordnung. Interessanterweise betreiben viele Firmen ihre Buchhaltung (z.B. SAP) ohne Bedenken bei Dienstleistern. Mit der Zunahme der Bandbreiten und Verfügbarkeit können weitere Dienste ausgelagert werden. Damit stehen natürlich nicht nur Exchange sondern auch Dateiserver und sogar die Datensicherung auf dem Prüfstand. Es sind nicht nur Privatpersonen, sondern auch Firmen, die ihre Datensicherung "ins Internet" zu einem Dienstleister auslagern. Dank Schattenkopien o.ä. werden nur noch geänderte Blöcke übertragen. Was sollte daher dagegen sprechen, dass immer mehr und mehr Firmen ihre Infrastruktur "Mail" zukünftig hosten ?

Verwaltung

Sicher ist es schon ein unterschied, ob eine kleine 5-Personen-Firma ein paar Postfächer bei einem Provider mietet. SingleSignOn und lokale Verwaltung sind da weniger gefragt. Größere Firmen erwarten aber mehr als nur Postfächer. Selbst bei der Nutzung von Diensten in der Cloud wird weiter ein lokale Active Directory im Einsatz sein. Und niemand möchte im lokalen Active Directory die Benutzer verwalten und eine parallele Verwaltung in der Cloud bedienen. Gefragt ist hier eine lokale Verwaltung, die sich aber mit der Cloud abgleicht. Eine Replikation der relevanten Verzeichnisdienste muss dafür sorgen, dass die Benutzer in beiden Welten die gleichen Adressbücher haben., Mitglieder in Verteilern identisch sind und sogar Zugriffsberechtigungen für Stellvertreter möglich sind. Erforderlich ist aus meiner Sicht auch, dass beim Hoster kein gesondertes Kennwort erforderlich ist, sondern dieser z.B. ein Kerberos Ticket akzeptiert, welches der Benutzer vom KDC im Active Directory erhält. Zur Frage der Verwaltung gehört natürlich auch die Migrationsplanung, so dass ein Wechsel auch Schrittweise erfolgen kann.

Da die eigene IT nur noch begrenzt Zugriff auf die Server selbst hat, müssen alle relevanten Funktionen auf anderem Wege bereit gestellt werden. Dazu gehört z.B. auch das Messagetracking. All diese Funktionen wird Exchange 2010 beinhalten, so dass dieses Modell durchaus funktionieren kann.

Zugriffsschutz

Selbst die Frage der "Sicherheit" der Mails gegen fremde Einblicke sollen lösbar sein. Natürlich kann man über den Sinn streiten, wenn die meisten Mails heute immer noch unverschlüsselt über das Internet übertragen werden. Aber es sind auch Kontaktdaten, Termine, Kundenbeziehungen, die ein Postfach selbst interessant machen. Exchange 2010 erlaubt es z.B. eingehende Mails mit RMS (Rights Management Services) zu sichern, so dass nur noch berechtigte Kreise einen Zugriff erhalten. Allerdings wird hier auch das Archivkonto und der Virenscanner natürlich "lesen" dürfen, da sie ansonsten ihre Funktion nicht erfüllen können. Hier werden sicher noch die ein oder anderen Diskussionen geführt.

Exchange 2010 das bessere 2007 ?

Ich möchte nicht unken aber es ist schon so, dass Exchange 2010 konsequent weiterführt, was Exchange 2007 angefangen hat. Und sicher sind einige Funktionen verbessert und ausgereifter geworden. Und analog zum Wechsel von Exchange 5.5 nach Exchange 2000, der große Änderungen bedeutet hat, ist auch der umstieg von Exchange 2003 nach 2007 wieder ein Wechsel, auch wenn er sicher nicht so gravierend ausfällt. Ich erwarte aber schon, dass Firmen mit Exchange 2007 auch bald den Schritt nach Exchange 2010 gehen werden, weil gerade die frühen Kunden auch meist die Kunden sind, für die hohe Verfügbarkeit, gute Skalierung und aktuelle Techniken wichtig sind. Und alle Firmen, die noch Exchange 2003 verwenden, und nicht schon in der Migration nach Exchange 2007 stecken, werden vielleicht noch ein paar Monate innehalten wollen. Ja, Exchange 2010 ist auf dem Weg, das beste Exchange zu werden. Aber Exchange 2007 ist damit immer noch keine schlechte oder halb fertige Version. Die letzten drei Jahre haben gezeigt, dass Exchange 2007 sehr gut läuft und Grenzen von Exchange 2003 definitiv gesprengt hat.

Zusammenfassung

Ich gehe davon aus, dass Exchange 2010 mit dem Erscheinen Ende 2009 auch wieder bei den großen Firmen sehr schnell in Produktion gehen dürfte. Wer damals von Exchange 2003 nach Exchange 2007 gewechselt ist, um aus seinem Single Copy Cluster einen CCR-Cluster zu machen und davon mehrere Server betreibt, der wird auch gerne den Weg zu Database Availability Groups gehen wollen. Auch die neuen Funktionen des Exchange Control Panel werden viele Hoster sehr schnell ihren Kunden anbieten wollen. Schon allein um die Arbeit nicht mehr selbst machen zu müssen.

Exchange 2010 ist aber kein Startsignal, nun alle Exchange 2003 Server abzulösen. mittlere und kleine Firmen können sicher noch einige Jahre mit Exchange 2003 arbeiten und in Ruhe migrieren. Brenzlig wird es langsam aber für die Exchange 2000 Kunden, da Exchange 2010 keine Koexistenz mehr mit Exchange 2000 erlaubt. Hier wäre dann doch ein Update (z.B. 2000 auf 2003 Inplace) erforderlich. Die Exchange 5.5 Kunden, die es auch heute immer noch gibt, sind aber schon länger vom Update-Zug abgehängt und können nur über Zwischenschritte (z.B. Exchange 2003 mit ADC) noch Anschluss erhalten oder bauen alles neu auf. Wer zu lang eine alte Version nutzt, wird aber auch in das Problem laufen, dass es immer weniger Dienstleister und Drittprodukte gibt, die noch diese Systeme unterstützen können. Auch wenn Sie noch nicht im Jahre 2009 Updaten, so sollten Sie dies zumindest in die Budgetplanung der nächsten Jahre fest vorsehen.

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