Remigration - Was dabei zu beachten ist

Was bedeutet eine Remigration, warum ist dies manchmal der beste Weg und was sind die Risiken. Der Artikel entstand zur Zeit der Bundestagswahl 2025 und das Wort "Remigration" wird aus meiner Sicht falsch verwendet.

Wortstamm und Funktion

Seit über 30 Jahren bin ich in der IT tätig und viele Projekte sind Merger&Acuisitions, d.h. Umstrukturierungen. Dazu gehören sowohl Migrationen und zwangsläufig auch Remigrationen. Die Bedeutung von Worten liegt aber immer im Betrachter und ich kann mich noch gut an mein Exchange 2003 Buch (Exchange 2003 - (M)ein Buch zum Thema) erinnern, als ich als technikverliebter Consultant bei einem Migrationsprojekt z.B. das Wort "Endlösung" verwendet habe. Natürlich weiß ich um die primäre Bedeutung dieses Wortes. Ich bin alt genug, um mit ehemaligen Soldaten aufgewachsen zu sein. Dennoch ist mir das Wort damals "durchgerutscht" aber mein Lektor beim  Hanser-Verlag hat dieses und noch einige andere Worte natürlich geblockt. Da habe ich eigentlich das erste mal richtig verstanden, warum es einen Deutsch-Unterricht und den Studiengang "Germanistik" gibt und wie wichtig ein gutes Lektorat und einfach etwas "Zeit" ist. Wenn ich im "IT-Sprech" von einer Remigration schreibe und spreche, dann interpretiere ich das Wort wie folgt:

  • Wortstamm: "Migration"
    Laut Duden (https://www.duden.de/rechtschreibung/Migration) kenn die deutsche Sprache hier zwei Bedeutungen:
    1a: Wanderung oder Bewegung bestimmter Gruppen von Tieren oder Menschen
    1b: Abwanderung in ein anderes Land, in eine andere Gegend, an einen anderen Ort
    2: das Migrieren von Daten, z. B. in ein anderes Betriebssystem
  • "Re"-Präfix
    Hier ist die Bedeutung nicht eindeutig, weil sowohl ein "Wieder" als auch "Zurück" damit verbunden sein kann.
    "drückt in Bildungen mit Verben aus, dass etwas wieder rückgängig gemacht, in den Ausgangszustand zurückgeführt oder von Neuem hervorgerufen wird"
    https://www.duden.de/rechtschreibung/re_

Da wir in der IT-Branche fast immer auch mit Anglizismen zu tun haben, und daher der Begriff auch dort seinen Ursprung haben dürfte, habe ich mir auch die Bedeutung von "Re" in dem dortigen Sprachgebrauch angeschaut. Der erste Satz sagt quasi auch, dass es zweideutig ist.

The prefix "re-" means "again" or "repeat"
https://study.com/skill/learn/using-the-prefix-re--explanation.html

Allerdings verweisen alle drei Beispiele auf die Bedeutung von "Wiederholen (again)"

re- + calculate = recalculate (to determine the amount of something again)
re- + adjust = readjust (to change the position of something again)
re- + heat = reheat (to make or become warm again)

Das "Re-" im englischen Sprachgebrauch und auch in meinem Verständnis ist kein "Rück" sondern "Wiederholen".

Das wird natürlich all denen nicht gefallen, die das Wort "Remigration" gerne so deuten, dass damit bereits migrierte Personen am besten wieder zurück an ihren Ursprungsort gebracht werten sollten.

Remigration in der IT

Die IT-Branche ist sowohl technisch als auch menschlich ein sehr durch Migrationen besteuert Branche. Kontinuierlich werden Daten von einem alten System auf eines System umgezogen und auch der Kreis meiner Kommunikationspartner ist sehr international. Dazu zählen nicht nur US-Amerikaner in Seattle, die fast durchweg einen "Migrationshintergrund" haben, sondern auch Inder, Australier, Japaner und Europäer. Europäische MVPs macht ca. 5% aller MVPs weltweit aus.

Bezogen auf meine Exchange-Expertise bedeutet eine Remigration nicht ein "Rollback" auf die Quelle sondern die erneute Übertragung von Informationen aus einer Quelle in ein Ziel, z.B. weil die vorherige Migration nicht vollständig oder fehlerhaft war. Eine Remigration wiederholt also eine Übertragung und macht sie nicht rückgängig. Das ist aber auch nicht alles andere als einfach. Schaue wir uns ein Beispiel einer Postfachmigration, also den Umzug eines Postfachs von einem Ausgangssystem auf ein Zielsystem an. Dieser Umzug durchläuft mehrere Phasen.

  • Start: Postfach in der Quelle
  • Vorbereitung Koexistenz und Datenübertragung
    Wenn nicht alle Postfächer zu einem Stichtag übertragen werden, dann müssen wir sicherstellen, dass eine saubere Koexistenz möglich ist. Bei Exchange geht es da primär um ein Routing der Mails und vielleicht Frei/Belegt-Zeiten. Natürlich brauchen wir auch aktive Komponenten, die die Daten übertragen. Bei Exchange ist das der Migration Service und ein Migration Endpunkt (EWS) auf der anderen Seite. Bei der Nutzung anderer Protokolle kann ein Konvertierung erforderlich sein.
  • Vorbereitung Ziel
    In der Regel legen wir dann im Ziel schon ein Postfach, bei dem aber irrtümlich ankommende Mails zurück zur Quelle gesendet werden.
  • Datenübernahme
    Dann fängt die eigentliche Migration an, bei der meist die Inhalte der Quelle in das Ziel kopiert werden. Kopieren hat den Vorteil, dass die Anwender in der Quelle weiter arbeiten können  aber hat zugleich den Nachteil, dass Sie in der Quelle auch etwas ändern können. Ein "Kopieren" sollte immer mit der Funktion kombiniert werden, dass die Migration auch mehrfach laufen kann und in der Quelle nachträglich Add/Change/Delete-Vorgänge erkennen und im Ziel nachhalten kann.
  • Kontrolle
    Für Mails ist es fast unmöglich, eine 1:1 Kontrolle im Ziel durchzuführen das ist eher ein Fall für z.B. Buchhaltungsdaten, Lagerbestände etc. die im eingefrorenen Zustand auf ein neues System übertragen und dann verglichen werden können. Bei großen einzelnen nicht zusammenhängenden Daten müssen Sie sich auf die Fehlermeldungen der Migrationswerkzeuge verlassen und dass ihre Konfiguration alle Quellen einschließt und nichts vergessen hat.
    Sollte etwas nicht passen und die Quelle weiter funktionstüchtig ist, können Sie hier jederzeit wieder die Migration wiederholen, also eine "Remigration" durchführen.
  • Aktivierung
    Wenn alle Daten wie erwartet übertragen wurden, dann wird die Migration abgeschlossen, die Quelle entfernt und ggfls. eine Umleitung ins Ziel eingerichtet. Allein aus praktischen aber auch finanziellen Gründen ist ein Weg zurück zur Quelle kaum mehr möglich. Man sollte zwar nie nie sagen und auch der Begriff der "verbrannten Erde" kennen die älteren Leser sicher auch noch aus Erzählungen ihrer Großeltern (meist Großväter).

Die nächste Migration

In der IT denken wir in Jahren manchmal in Jahrzehnten und in de Regel bleibt es nicht bei einer Migration. Ich kenne Firmen, die schon hinsichtlich des Mailsystem schon vier und mehr Migrationen hinter sich haben. Auf Exchange Geschichte habe ich nur den "Microsoft-Produktzyklus" beschrieben. Daneben gibt/gab es immer noch andere Mailsysteme wie Exchange und GroupWise, Exchange und Notes und viele andere Programme.

Übrigens: Auf Arte habe ich einen Bericht über Fußspuren in Great Sands gesehen, die wohl belegen, das nicht nur Mammuts früh über die Erde gewandert sind sondern die Menschen ihnen parallel gefolgt sind.

Auf den Spuren der ersten Amerikaner | Doku HD Reupload | ARTE
https://www.youtube.com/watch?v=o31xFI6VGZQ

Es wird immer Bewegungen und Migrationen geben. Menschen passen sich nun mal den Umgebungen an und wir Europäer sollten besser nicht so hochnäsig sein dass wir "besser" sind. Vor nicht mal einem Jahrhundert hat Hitler mit seinen Schergen die Juden vertrieben und die "christlichen" Kreuzzüge zwischen dem 10. und 13 Jahrhundert waren auch keine Pilgerreisenden. Ich kann es keinem Menschen verübeln, der sich aus reinem Überlebenswillen aufmacht, um einen angenehmeren Platz sucht. Vielleicht sollten wir auch einmal daran denken, dass zumindest ein Teil unseres Wohlstandes auf der Ausbeutung der Entwicklungsländer beruht. Wäre ich 20km südlicher geboren, wäre ich ein Franzose und es gäbe vielleicht eine msxfaq.fr. Auch die "französisch/deutsche Freundschaft" ist noch gar nicht so alt. (https://de.wikipedia.org/wiki/Deutsch-franz%C3%B6sische_Erbfeindschaft) Die Freundschaft der Bistümer Paderborn und Le Mans hat all diese Kriege überdauert (https://www.erzbistum-paderborn.de/erzbistum-und-erzbischof/bistumsgeschichte/partnerschaften/le-mans/). Man muss nicht mal in einer Kirche Mitglied sein, um sich einfach "anständig" zu verhalten.

Ich denke, es gibt wahrlich wichtigere Dinge für unsere Land, unsere Gesellschaft und unseren Planeten. Wenn jemand schon einmal hier ist, dann sollten wir die Arbeitskraft vielleicht besser einsetzen. sei es in der Pflege, allgemeine Tätigkeiten, im eine Ausbildung erlauben, die Sprache zu lernen. Ob die "Migranten" nach einige Jahren dann in Deutschland bleiben wollen oder mit ihrem gelernten Wissen ihr bis dahin vielleicht veränderten Ursprungsland aufbauen, wird die Zukunft zeigen. Im letzteren Fall hätte ich dann auch kein Problem, die als erneute Migration zu bezeichnen.

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