Notes Stichtag-Migration

Es gibt von Microsoft sehr gute Beschreibungen, wie man mit den Exchange 2003 Notes Connector und dem Mail Migration Wizard oder mit der Exchange 2007 Transporter Suite einen Notes Server nach Exchange migriert. Aber all die technische Beschreibung geht manchmal am Ziel vorbei.

Aufgabenstellung

Ich habe mehrfach vor der Aufgabe gestanden, einen einzelnen Notes Server in kurzer Zeit nach Exchange zu migrieren. In solchen Umgebungen ist eine lange Koexistenz mit Connector, Verzeichnisabgleich und Free/Busy-Agent einfach übertriebener Aufwand. Den meisten Kunden ist es hier lieber, eine schnelle Migration nach Exchange durchführen zu lassen.

  • Stichtag
    Alle Postfächer müssten dabei zu einem Stichtag/Zeitpunkt auf Exchange betrieben werden.
  • Kein Connector
    Eine Verbindung der beiden Systeme ist gar nicht gewollt und nicht erforderlich.

Kritische Punkte

Das scheint erst mal einfacher, da man ja Exchange ja einfach parallel installieren kann und dann migrieren. Aber wenn Sie nun ihren Notes Server mit vielleicht 100 Postfächern und 100 GB Postfachdaten anschauen, und eine Migration der Inhalte mit vielleicht 2-4 GB/h erfolgt, dann können Sie sich ausmalen, dass die Umstellung , zu deren Anfang sie Notes einfrieren müssen und deren Abschluss, ab wann die Benutzer mit Exchange arbeiten können, mit 25-50 Stunden etwas lange dauert, in der die Firma nicht erreichbar ist.

Aber auch das Problem ist lösbar, wenn man mit Kniffen arbeitet, die erst mal so nicht in Dokumentationen stehen:

  • Clientzugang per OWA
    Ein kritischer Punkt ist immer der Austausch von z.B. 100 Notes Clients auf den PCs durch Outlook. Zwei Programme mit MAPI.DLL sind nicht einfach zu handhaben und die wenigsten Firmen haben ein perfektes Desktop Management mit Wakeup-on-Lan, Inventarisierung, Push-Verteilung etc. Aber OWA ist seit Exchange 2003 und erst Recht mit Exchange 2007 ein legitimer Zugang um die Funktion "Mail/Termine/Kontakte" umsetzen zu können
  • Mitarbeiter und Administratoren
    Bei einer langsamen Migration können Sie Anwender stückweise umstellen und Fehler und Probleme erkennen und beheben. Bei einer schnelle Umstellung kann der Montag danach erst mal stressig werden. Nicht nur, weil alle Mitarbeiter dann auch alte Probleme wieder mit "ist erst heute aufgetreten" wieder aufwärmen, sondern weil eben viele Routinetätigkeiten anders durchzuführen sind. Sowohl seitens der Anwender aber auch Seitens der Administration, für die Exchange auch neu ist.
  • Test und Evaluierung
    Dann stellt sich natürlich noch die Frage, wie man die Migration vorab testen kann. Kaum jemand wird die Migration ankündigen und muss am Sonntag hektisch das alte System aktivieren, nur weil bei der Datenübernahme viel zu viel Daten "vergessen" wurden.

Insofern ist eine Stichtag-Migration erst mal nicht zu unterschätzen, auch wenn Sie technisch einfacher erscheint-

Stichtag-Migration

Ich habe daher für diese Migrationen einen veränderten Ansatz mit mehreren Phasen gewählt:

Notes Stichtagmigratoin

Phase 1: Vorarbeiten

Die Vorbereitungsphase ist geprägt durch eine möglichst komplette IST-Aufnahme der Umgebung hinsichtlich der Migration mit allen Komponenten, die mit dem bisherigen Mailsystem interagieren. Dazu gehören auch Stellvertreter und Regel, die nicht übernommen werden können, Die Lösung zu Archivierung, Virenschutz und zentralen Signaturen und was in Notes noch so alles möglich ist. Man möchte ja schon im Vorfeld möglichst viel über das Quellsystem wissen.

Phase 2: Server und Testen

Bei der Stichtagmigration ist es problemlos möglich, das neue Exchange System quasi parallel zu installieren. Und das passiert in dieser Phase. Der Server wird komplett installiert (Mit Konfiguration, Backup, Antivirus, Überwachung etc.). Auch sollten ein paar Testclients installiert werden. Wer eine Softwareverteilung hat, kann dazu schon die entsprechenden Pakete schnürten.

Auf einem zweiten System wird z.B. ein Notes Client und die Notes Transporter Suite installiert, mit der dann die Inhalte des Altsystems auf den neu aufgebauten Exchange Server migriert werden können. Bei der ersten Migration werden sicher viele Fehler auftreten, die aber gefahrlos korrigiert werden können. Da die Quelle nicht gelöscht wird und nur der Export etwas mehr Last auf dem Quellserver produziert, ist es möglich auch mehrfach die Testmigration durchzuführen. Sie können ja immer wieder auf dem Exchange Server die Datenbank "offline" nehmen und löschen und so "frisch" starten.

Nebenbei erhalten Sie realistische Werte für die Dauer der Migration, den Durchsatz und am Ende enthält ihr Exchange Server eine 1:1 Kopie aller Daten, wie diese auch später bei der Produktivmigration anfallen. Sie können diese Kopie als Material für Backup und Restore, Virenscan, Volltextindex und Archivierungsübungen heranziehen.

Und als Operator können Sie mit diesem System schon alle späteren Tätigkeiten realitätsnah üben, z.B. Verwalten von Benutzern und Verteilern, Zugriff per Outlook, OWA, ActiveSync, Blackberry und alle anderen Tätigkeiten einer lebendigen Exchange Umgebung. Sie können Sie gar ausgewählte Benutzer schon "üben" lassen (Mit Hinweis, dass die Daten vermutlich keinen Bestand haben und die Empfänger die Mails nicht lesen werden) und entsprechende Anleitungen und Handbücher schreiben und Schulungen abhalten. Alles in allem eine ideale Ausgangssituation für Exchange Start.

Phase 3: ProduktionsUmstellung

Nachdem alle Testmigrationen so abgeschlossen sind, dass einer produktiven Umstellung nichts mehr im Wege steht, ist die eigentliche Umstellung zu planen.

Das Prinzip beruht darauf, dass Sie den bisherigen Mailserver quasi "einfrieren", so dass alle Warteschlangen noch geleert aber sonst keine Änderungen mehr gemacht werden können. Dieser unveränderliche Stand wird dann in das neue System übertragen. Nach der erfolgreichen Übertragung und Bestätigung der Migration wird das Mailrouting nun auf den neuen Server umgestellt und die Clients frei geschaltet. Zusatzarbeiten wie Faxserver, Blackberry und andere Dienste werden noch eingerichtet.

Das hört sich nun erst mal einfach an, aber einen Fallstrick gibt es dabei: Während der Migration darf eigentlich kein Anwender arbeiten und das alte System keine Mails mehr empfangen. Das neue System kann aber erst nach der Bestätigung der erfolgreichen Migration in Betrieb genommen werden. Also gibt es eine Zeit, in der keine Verarbeitung möglich ist. Und diese Zeit ist um so länger, je mehr Daten zu übernehmen sind. Hinzu kommt, dass die Migration Element für Element überträgt und damit vielleicht 2-4 Gigabyte/Stunde migriert werden können. Also müssen Sie sich etwas überlegen, um diese "Frozen Zone" kurz zu halten.

Denkbar ist eine mehrstufige Migration: Was hindert Sie daran, schon Tage vorher die alten Nachrichten bereits zu kopieren und am Stichtag dann nur noch die Elemente der letzten 4 Wochen zu übertragen. Klar ist es denkbar, dass ein Mitarbeiter ein Element älter 4 Wochen gelöscht hat, welches dann im Ziel wieder erscheint. Auch werden verschobene Element eventuell dann doppelt angezeigt. Aber vergessen wird damit kein Element und Sie können die Sperrbereich auf wenige Stunden statt Tage drücken.

Theoretisch können Sie natürlich auch am Stichtag nur die Element z.B. der letzten 4 Wochen migrieren und den Mitarbeitern versprechend, dass der Rest "nachkommt". Davon halte ich aber nicht, weil das alte System dazu weiter produktiv sein muss und die Migration auf dem schon produktiven Exchange Server die Transaktionsprotokolle anschwellen lassen.

Phase 4:Nacharbeiten

Wenn die Entscheidung gefallen ist, dass alle Elemente wirklich korrekt und ausreichend vollständig (100% geht nie) übernommen wurden und der Exchange Server also produktiv gegangen ist, dann ist die Migration natürlich noch nicht abgeschlossen. Die ersten Tage der Anwender und anderer Systeme werden zeigen, was alles vergessen wurde. Insofern kann man den alten Server ja durchaus noch vorhalten, um bei Bedarf Elemente nach zu ziehen.

Hier müssen Sie sowohl personelle Ressourcen bereit stellen, um die Anfragen der Anwender abzufedern und natürlich auch eine Überwachung einsetzen, um Fehler schnell einkreisen und beheben zu können. So sind z.B.: gehäufte unzustellbarkeitsmeldungen deutliche Zeichen für Fehler.

Und dann ist es vielleicht gerade das halbjährliche Mailing an den Vertrieb, der Monate nach der Umstellung auf die Nase fällt, weil er immer noch den alten Notes Server oder Notes Client per VIM verwendet.

Zusammenfassung

In den meisten Migrationsunterlagen von Microsoft wird für gewöhnlich die Migration über eine parallele Installation von Exchange mit Verzeichnisabgleich und Connectoren beschrieben, weil damit schrittweise die Postfächer migriert werden können. Allerdings ist diese Migration auch mit Fallstricken versehen, da der Betrieb beider Systeme über Connectoren und die schrittweise Migration zwar langsamer von statten gehen kann und Sie mit jedem Postfach mehr "lernen". Wenn Sie aber speziell in kleineren Umgebungen das Thema Migration einfach nur schnell vom Tisch haben wollen, kann diese Umstellung ein besserer Weg sein.

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