Jede App hat ihren Preis

"Papa, darf ich das Spiel haben? Es kostet auch nichts und auf die Werbung klicke ich nicht". Wenn ihre Kinder noch fragen, ehe Sie eine App installieren, dann können Sie ja noch reagieren. Besser ist es, wenn Sie über die Kontrollfunktionen in IOS und Android die Installation von Apps unter einen Erlaubnisvorbehalt stellen. Das ist in wenigen Minuten eingerichtet und sollte für das Smartphone ihres Minderjährigen Kindes selbstverständlich sein.

Kostenfrei ist nichts

Der Apple Appstore und der Google PlayStore sind voll von "Kostenfreien Apps", die ohne Bezahlung direkt installiert werden können. Ohne weiteren Schutz sind diese Apps also auch für Kinder zugänglich, die keine Zahlungsinformation hinterlegt haben. Und da es ja nichts kostet, kann man es ja mal ausprobieren. Allzu schnell geben dann auch die Eltern dem Nörgeln der Kinder nach. Sehr schnell haben es Kinder verstanden, den richtigen Moment abzupassen, z.B. während einer längeren Autofahrt oder beim Restaurant-Besuch.

Allerdings kostet die Entwicklung einer App natürlich Zeit, Ressourcen, Know-how und bei Apple darf es sogar noch ein kostenpflichtiger Developer-Zugang und ein MAC sein. Das finanziert sich alles nicht alleine und so muss der Entwickler ja auch irgendwie seinen Kühlschrank füllen.

Es gibt zwei offensichtliche Einnahmequellen:

  • Werbung
    Im Spiel oder der App wird immer mal wieder ein Werbebanner mehr oder weniger aufdringlich eingeblendet. Früher konnten Kinder ihr Smartphone einfach in den Flugmodus stellen, damit keine neue Werbung nachgeladen wird. Das ist mittlerweile recht wirkungslos, das eine App natürlich Werbung auch auf Vorrat laden kann und die Erreichbarkeit per WhatsApp, Instagram und Co für die Kinder wichtiger ist.
  • InApp.Münzen-Käufe
    Der zweite Hebel sind Käufe innerhalb der App selbst, die zu einem schnelleren Vorankommen im Spiel hilfreich sind. Es gibt eine Unzahl Spiele, bei denen etwas gesäät, aufgezogen und letztlich geerntet werden muss und man sich so langsam hocharbeitet. Am Angang geht das schnell aber die Erfolge lassen immer länger auf sich warten. Es sei denn man kauft sich die Spielmünzen einfach mit echtem Geld. Der Wettbewerb die anderen Kindern, die schon gekauft oder viel mehr Spielzeit haben sorgt schon für den Quengelfaktor.

Dennoch gibt es Spieler, die sich von der Werbung nicht nerven lassen und nach ein paar Spielrunden das Spiel einfach wieder deinstallieren und die nächste Mutation mit leicht anderen Bildern aber im Prinzip der gleichen Handlung spielen. Ich finde es schon erstaunlich wie sich Menschen von Apps quasi dazu zwingen lassen die Aktionen auszuüben, die eine Software viel besser könnte.

Der Schatz der Daten

Weil allein mit den beiden Möglichkeiten nicht genug Geld zu verdienen ist, verlegen sich immer mehr Anbieter darauf, weitere Finanzierungsquellen zu erschließen. Sie kennen das schon von Facebook, WhatsApp und Co denen Sie oft schon mehr Daten anvertrauen als ihrer Lebensabschnittsbegleitung. Aber bei Kinderspielen hat das ein ganz anderes Potential. Hier ein Beispiel einer App, die meine Kinder gerne haben wollten. Beim gemeinsamen Blick auf die erforderlichen Berechtigungen konnten aber selbst Kinder verstehen, dass Sie das nicht mochten.

  • 65 Mio Downloads und >4 Mio Bewertungen?
    Könnte man als Hinweise auf eine Software mit langer Historie ansehen.
  • Werbung
    Das war ja zu erwarten. wenn man bei 65Mio Nutzern auch nur ein paar Werbebanner untergebracht hat, dann kann man damit schon Geld verdienen
  • In-App-Käufe
    Das was erwartet worden, denn der Spielzweck ist aus Sicht des Anbieters ja nicht der Fun-Faktor sondern eher der Zuverdienst.

Interessant werden aber all die anderen Zugriff, die ein Spiel nicht unbedingt haben muss.

  • Geräte und App-Verlauf
    Echt jetzt? was interessiert das Spiel, welche anderen Apps noch auf meinem Smartphone laufen und welche URLs ich ansurfe oder als Favoriten hinterlegt habe? Macht man das nur, um mir noch passendere Werbung zukommen zu lassen? Für Firmen sind diese Daten aber aus einem anderen Grund wichtig: So können Sie erkennen, welchen Zuwachs andere Apps im Markt haben und Wettbewerber beobachten oder Übernahmekandidaten ermitteln. Ich bin ziemlich sicher, dass Facebook sehr genau geschaut hat, welche Dienste die höchsten Wachstumsraten auf den Smartphone hatten, ehe Sie WhatsApp und Instagram aufgekauft haben.
  • Identität
    Werbung kann man viel besser auf die Zielgruppe orientieren, wenn man den Nutzer kennt. Schon mit dem Download sieht der Entwickler ja, welches IOS oder Google-Konto das Spiel geladen hat. Aber dann noch Auskunft installierte Konten bei anderen Diensten zu erheben?
  • Foto/Bilder/Dateien
    Irgendwie scheinen alle Apps dieses Recht haben zu wollen obwohl es eigentlich keinen Grund gibt. Vielleicht zum Speichern des Spielstandes? Aber sollte deshalb die App gleich alle Bilder und Dateien lesen und vielleicht sogar verändern lassen?. Vielleicht parkt sie ja auch ein paar "Bilder" für spätere Aktionen?
  • WLAN-Verbindungsinformationen
    Auch diese Information ist für ein Spiel überflüssig. Ob es Werbung per Internet runterladen kann, kann es ganz einfach über einen Versuch erkennen. Deswegen muss es aber nicht meine SSID und meine Nachbarn und anderen Geräte auslesen können.
  • Sonstiges
    Hier landen Rechte die sonst nicht eingeordnet werden können.

Für mich war klar: So ein Spiel will ich definitiv nicht auf irgend einem Telefon haben. Wenn es ein gutes Spiel wäre, könnte man ja gerne ein paar Euro ausgeben. Aber das Spiel wird ja gar nicht erst direkt als "Werbefrei/Datenschutz-freundlich" angeboten. Der Anbieter hat die Datensammlung wohl direkt in sein Geschäftsmodell eingeplant.

Andere Spiele fordern gleich noch mehr Rechte an, wie z.B.

  • Kamera und Mikrofon
    Wenn nun eine Telefonie- oder Konferenz-App dieses Recht anfordert, dann kann ich das verstehen. ich male mir gerade aus, wie die App unbemerkt das Mikrofon aufmacht um im Kinderzimmer mit zu hören.
  • Standort
    Auch die Standortbestimmung kann für Spiele wie Pokemon oder WhatsApp ihren Sinn haben, so erschließt sich mir diese Anforderung nicht bei einfachen Spielen für minderjährige Kinder

DSSGVO und Kontakte

Es zeigt sich wieder mal, dass die meisten Entwickler entweder sich keine Gedanken um das Thema Datenschutz und Datensparsamkeit machen oder sich absichtlich und rücksichtslos darüber hinweg setzen. Ein Stück weit bin ich auch überrascht, dass der Gesetzgeber hier keine klare Vorgaben macht und diese auch durchsetzt. Für Google und Apple ist es überhaupt kein Problem nach Land unterschiedliche Angebote bereit zu stellen. Es gibt entsprechende lokalisierte und gefilterte Stores auf jeden fall für China und ich denke, dass auch Russland, Iran, Ägypten und viele andere Staaten schon ihre lokale Rechtsprechung durchsetzen und direkt natürlich auch bestimmte Apps mit besserer Datenverschlüsselung unterbinden.

Wenn eine App aber Zugriff auf umfangreiche Daten auf einem Smartphone erhält, dann kann der Anwender es gar nicht verhindern, dass diese Daten auch beim Anbieter landen. Das macht schon WhatsApp, indem es die Kontakte zweck "Überprüfung" an den Anbieter leitet. Der Anwender soll doch möglichst schnell erfahren, wer der Kontakt auch schon WhatsApp nutzt. Dass WhatsApp, heute Facebook, dieses Wissen um Beziehungen natürlich für weitere Analysen verwendet, sollte als gesichert gelten.

Damit hat aber nun der Anwender selbst ein Datenschutzproblem. Wenn Sie meine Kontaktdaten in ihrem Smartphone haben und Sie die Daten ungefragt weitergeben, dann ist das problematisch. Insbesondere, wenn der Datensatz um viele persönliche Daten wie z:B. Geschlecht, Geburtstag u.a. angereichert ist. Hier verfahren wohl auch die meisten Anwender noch nach dem Schema "Wo kein Kläger da kein Richter".

Als Vorsatz würde ich das aber nicht bezeichnen, da die meisten Anwender einfach zu unvorsichtig sind und die Fachkenntnis nicht vorhanden ist. Ich würde nicht mal von mir behaupten, dass ich alle Zusammenhänge verstanden habe.

Der Ruf nach dem Staat ist hier schnell gestellt. Allerdings würde ich schon eine gewisse Schutzfunktion als Bürger erwarten. Niemand würde Polizei oder Bundeswehr abschaffen aber beim Datenschutz ist noch einiges im Argen. Vielleicht ist das aber auch gewollt, denn an die so gesammelten Daten kommen Ermittlungsbehörden ja vielleicht ran. Alles unter dem Killerargument "Terrorabwehr".

Übrigens: Es gibt tatsächlich Apps, die wenig Geld kosten und deutlich weniger Rechte anfordern. Es liegt an ihnen, diese Apps zu bevorzugen und nicht jeden kostenfreien Mist zu installieren. Sprechen Sie doch mal mit ihrem Kind, welche Bilder, WhatsApp-Chats, Webseitenadressen es jedem zeigen würde. Oft sind hier die Vorbehalte sogar größer als bei den Eltern, die nur einen elektronischen Babysitter suchen.

Weitere Links